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Der Bildschirm eines Laptops zeigt das Bild eines braunen Hundes

Chemische Kastration

Wissen

Wie sinnvoll ist eine chemische Kastration und welche Nebenwirkungen kann es geben?

Hier als erstes ein Kommentar einer Kundin auf meine Frage, welche Themen Sie im Podcast interessieren würden:

„Was ich Ihnen schon länger mal schreiben wollte, weil es sicher auch ein Thema für alle Hundehalter wäre:

Wie Sie wissen habe ich meinen Hund damals auf Anraten unseres Tierarztes chemisch kastrieren lassen (Chip).

Die Nebenwirkungen waren unfassbar. Er litt fortan an ständiger Übelkeit obwohl das vorher nie ein Thema war. Er verlor Unmengen von Fell. Seinen schönen „Wolfskragen“ bekam er nie wieder. Überhaupt war der Hund plötzlich ein anderer und fühlte sich nie mehr richtig wohl. Er wirkte immer total niedergeschlagen. Die Nebenwirkungen setzten bereits wenige Tage nach dem Setzen des Chips ein. Als die Zeit der Wirkung vorbei war ging es ihm zunehmend wieder besser und auch der extreme Haarausfall hörte auf. Inzwischen hörte ich mich bei anderen Hundebesitzern um, die diesen Chip implantieren ließen. Sie berichten exakt das Gleiche und würden das ihrem Hund nie wieder antun. Es waren auch junge Hunde dabei, die genauso reagierten.

Ich denke das ist ein wichtiges Thema für Sie als ganzheitlich denkende Tierärztin.  Man sollte diese Chips wirklich nicht einsetzen und es sollte kommuniziert werden, dass es den Hund stark beeinträchtigt.“

Was passiert bei der chemischen Kastration?

Aus dem „Chip“ wird ein Hormon (GnRH – Gonadotropin-Releasing-Hormon) freigesetzt, das auch unter natürlichen Bedingungen vom Hund selbst gebildet wird. Es stimuliert die Produktion der Geschlechtshormone. Über einen natürlichen Mechanismus reguliert der Körper dann seine eigenen Produktion der Geschlechtshormone hinunter. Eigentlich eine elegante Idee, aber Nebenwirkungen gibt es einfach überall.

Meine eigene Meinung zur chemischen Kastration

Für einen konventionellen Mediziner ist es eine sehr elegante Möglichkeit den Sexualtrieb eines Rüden in den Griff zu bekommen. Für mich als ganzheitlich denkende Komplementärmedizinerin gibt es aber auch eine andere Seite.

Medikamente nur im äußersten Fall

Ganz prinzipiell finde ich es gut, dass es eine medizinische Möglichkeit gibt, egal für welches Problem auch immer (das gilt für alle Erkrankungen).  Hier beginnt schon das Problem. Kastrationschips werden nicht wegen Erkrankungen implantiert. Jedes Medikamente soll nur dann gegeben werden, wenn es unbedingt nötig ist. Die Natur arbeitet immer noch deutlich besser als irgendein Medikament. In der heutige Medizin wird mit chemischen Substanzen nur so um sich geworfen.

Hypersexuelle Rüden kann man auch anders beeinflussen als mit chemischer Kastration

Gerade hypersexuelle Rüden lassen sich in vielen Fällen mit homöopathischen Arzneien sehr erfolgreich wieder in normale Bahnen lenken. Auch ohne in den Hormonhaushalt und die Entwicklung des Rüden eingreifen zu muss. Wende dich an deinen Homöopathen.

Vielleicht helft dir aber auch ein Relaxodog. In der Praxis habe ich die beruhigende Wirkung nur über Musik schon sehen können.

Was immer gut ist: Andere Beschäftigungen! Unterordnung, Suchspiele etc. Irgendetwas wird ihn schon interessieren und Spaß machen.

Es mag vereinzelt Fälle geben, wo man um eine Kastrationschip nicht herum kommt. In den meisten Fällen geht es aber um pubertierende Rüden, die plötzlich für den Besitzer lästig und ungehorsam werden. Niemand würde aber bei einem pubertierenden Jugendlichen auf die Idee kommen, ihm eine Kastrationchip zu setzten – hoffe ich zumindest! Auch wenn es praktisch wäre…

Die schwierige Phase in der Pubertät ist mit einem Rüden oft nicht lustig, aber gerade in diesem Alter wird der Chip auch gar nicht empfohlen (s. Interview Dr. Axel Wehrend), da der kleiner werdende Hoden sogar in die Bauchhöhle zurückrutschen könnte, was möglicherweise eine spätere Operation nötig macht.

Falls du jetzt meinst, ich mache es mir aber leicht…

Mein letzter Hund war ein 45kg-schwerer Rüde, der mit 6 Monaten alles bestiegen hat, was vier Beine hatte, der jeden anderen Rüden am liebsten angepöbelt hätte. Mit 2 Jahren war er dann aber folgsam genug auf all diese Spielchen zu verzichten.

Das Zusammenleben war nach der Kastration mit 6 Jahren (aus medizinischen Gründen) aber zugegebener Maßen doch noch weit angenehmer.

Nebenwirkungen der chemischen Kastration

Die oben von meiner Kundin berichteten Nebenwirkungen sind lt. Herstellerangaben selten. Verändertes Haarkleid, Aktivitätsverlust und auch erhöhte Aggression zu Beginn sind aber durchaus bekannt. Zum Glück trifft es nicht jeden, so wie das bei Nebenwirkungen immer ist.

In der Praxis hatte ich einige Fälle mit unterschiedlichen Nebenwirkungen. Von Depression bis zu massiven Durchfällen. Auch die extreme Verkleinerung der Hoden ist für mich ein klares Zeichen, welch massiven Eingriff man in das doch so sensible Hormonsystem hier trifft.

Auch ist bekannt, dass Rüden, die sehr früh einen Chip erhalten haben, um die Phase der Pubertät zu erleichtern, nach Abklingen der Chip-Wirkung die gleiche schwierige Phase nochmals durchmachen. Das Problem wird also nur verschoben.

Wie man weiß – lies dazu auch meinen Beitrag zur Kastration – bilden sich während der Pubertät unzählige Verknüpfungen im Gehirn völlig neu. Auch dieser Prozess wird möglicherweise gehemmt, was unter Umständen lebenslange Auswirkungen haben könnte. Langzeitstudien wurden nicht gemacht und vermutlich hätte dabei auch keiner auf die psychische Verfassung geachtet.

Auch Hündinnen könnte man prinzipiell einen Kastrations-Chip implantieren. Allerdings ist er nicht für Hündinnen zugelassen und auch die Nebenwirkungen sind häufiger und schwerer (Gebärmutter-Entzündungen etc.)

Deutliche Kontraindikationen für eine chemische Kastration

Bei

  • Hodentumoren (wer weiß schon zu Beginn mit absoluter Sicherheit, ob einer vorliegt)
  • Hodenhochstand (Kryptorchismus)
  • Veränderungen der Prostata

darf der Chip nicht gesetzt werden.

Deine Entscheidung für eine chemische Kastration

Die Entscheidung liegt natürlich bei dir. Zumindest ist eine chemische Kastration reversibel, im Gegensatz zur chirurgischen.

Jedenfalls in der Zeit der Pubertät würde ich dir aber dringend abraten wegen einer „normalen“ Entwicklungsphase u.a. auch die Gehirnentwicklung zu riskieren, auch wenn hier nichts bewiesen ist.

Da ich selbst in der Praxis keine Kastrations-Chips verabreiche und daher nur die negativen Auswirkungen berichtet bekomme, wäre ich an deinen Erfahrungen sehr interessiert. Schreib ein Kommentar!